Die Sixtinische Kapelle im Vatikan ist nicht nur ein bedeutendes religiöses Zentrum, sondern auch ein künstlerisches Juwel, das Millionen von Besuchern aus der ganzen Welt anzieht. Benannt nach Papst Sixtus IV., der sie im späten 15. Jahrhundert in Auftrag gab, dient die Kapelle als Ort wichtiger liturgischer Zeremonien und als Schauplatz des Konklaves, bei dem die Kardinäle den neuen Papst wählen. Besonders die Fresken von Michelangelo machen die Sixtinische Kapelle zu einer der größten Sehenswürdigkeiten der Welt. Jetzt sind diese Fresken auch in Hamburg zu bestaunen.
Die Entstehung der Sixtinischen Kapelle
Die Sixtinische Kapelle wurde zwischen 1477 und 1480 erbaut und folgt den Maßen des biblischen Tempels von Salomon, was ihre symbolische Bedeutung unterstreicht. Ihre schlichte äußere Fassade kontrastiert stark mit dem prächtigen Inneren, das reich mit Fresken dekoriert ist. Künstler wie Sandro Botticelli, Pietro Perugino und Domenico Ghirlandaio trugen zur ursprünglichen Dekoration bei, bevor Michelangelo Buonarroti (1475–1564) die Kapelle mit seinen epochalen Werken zu einer der größten Sehenswürdigkeiten der Welt machte.
Michelangelos Auftrag und die Entstehung der Fresken
Im Jahr 1508 wurde Michelangelo von Papst Julius II. beauftragt, die Decke der Sixtinischen Kapelle zu bemalen. Ursprünglich waren einfache geometrische Muster geplant, doch Michelangelo überzeugte den Papst von einer komplexeren Darstellung biblischer Szenen. Innerhalb von vier Jahren schuf er ein Meisterwerk, das aus über 300 Figuren besteht und die Geschichte der Schöpfung, der Vertreibung aus dem Paradies und weitere biblische Erzählungen darstellt.
Die besondere Freskotechnik Michelangelos
Michelangelo verwendete die Freskotechnik, bei der Pigmente auf frisch aufgetragenen, feuchten Kalkputz aufgetragen werden. Diese Technik erfordert schnelles Arbeiten und präzises Timing, da die Farben mit dem Putz aushärten müssen. Zudem malte Michelangelo oft stundenlang über Kopf. Viereinhalb Jahre arbeitete er an seinem Lebenswerk, das heute zu Recht zu einem der größten Kunstwerke der Welt zählt. Besucher aus der ganzen Welt stehen oft stundenlang Schlange, um einen Blick auf die Fresken zu erhaschen, die in etwa 20 Meter Höhe über den Köpfen zu sehen sind. Der Blick ist kurz, denn langes Verweilen ist nicht erwünscht. Fotografieren und lautes Reden sind ebenfalls nicht gestattet.
Von Rom nach Hamburg: Die Entstehung der Ausstellung
Das ärgerte auch Martin Biallas, als er vor knapp neun Jahren bei einem Rom-Aufenthalt die Sixtinische Kapelle besuchte. Biallas, Chef des Produktionsunternehmens Special Entertainment Events mit Sitz in Los Angeles, suchte nach einer Lösung. Während einer Restaurationspause ließ er die 34 Fresken mittels einer hochauflösenden Kamera und einer speziellen Drucktechnik reproduzieren. Jede Einzelheit und jede Farbnuance blieben bis ins letzte Detail erhalten. Aus diesen Reproduktionen hat er zusammen mit Fever, einer Plattform für Live-Entertainment, eine Ausstellung konzipiert, die „eine neue Perspektive auf die hohe Kunst“ bieten will. Nach Stationen in London, Wien, Chicago und Marseille ist diese Ausstellung noch bis Ende September in der Kulturkirche in Hamburg-Altona zu sehen.
Die Ausstellung in der Kulturkirche Hamburg
Wer die Kulturkirche (Johanniskirche) in Hamburg betritt, trifft auf große Stellwände mit den ersten biblischen Szenen. In der Tat: So nah kommt man den Bildern in Rom nicht. Man sieht wirklich jeden Pinselstrich. Was ebenfalls sofort auffällt: Michelangelo war anscheinend sehr vertraut mit der Darstellung männlicher Körper, hatte aber anscheinend weniger Übung bei der Darstellung von Frauenkörpern, die ebenso muskulös wie die männlichen aussehen.
Das Jüngste Gericht: Das zentrale Bild der Ausstellung
Mit einer Größe von 16 Quadratmetern ist „Das Jüngste Gericht“ (Originalgröße 160 Quadratmeter) das zentrale Bild der Ausstellung. Zwanzig Jahre nach der Fertigstellung der Decke in der Sixtinischen Kapelle kehrte Michelangelo zurück, um das Altarwandfresko „Das Jüngste Gericht“ zu malen. Dieses monumentale Werk zeigt den Moment des Weltgerichts, bei dem Christus über die Seelen der Menschen richtet. Das Fresko beeindruckt durch seine dramatische Komposition, die emotionale Intensität der Figuren und die meisterhafte Nutzung von Hell-Dunkel-Kontrasten. Auch diesem Bild können die Besucher der Ausstellung ganz nah kommen. Vielleicht entdeckt auch jemand Michelangelo selbst, der sich mit einem Selbstbildnis im „Jüngsten Gericht“ verewigt hat.
Ein Selfie-Spot für Kunstliebhaber
Fotografieren ist in der Ausstellung ausdrücklich erlaubt, sodass eines der berühmtesten Fresken sicherlich zu einem Selfie-Spot wird. Jeder hat schon unzählige Male das Bild „Die Erschaffung Adams“ gesehen, in dem Adams Zeigefinger fast Gottes Zeigefinger berührt. Doch wann kann man dem Bild so nahekommen, dass man an Adams Stelle rücken kann?
Im Altarraum der Johanniskirche sind die Bilder der Schöpfungsgeschichte ebenfalls an die – allerdings nur in wenigen Metern Höhe – Decke montiert. Schade, dass hier nicht die aus anderen immersiven Ausstellungen beliebten Sitzsäcke oder Liegen zum besseren Betrachten zur Verfügung stehen. Man muss mit zwei harten Kirchenbänken vorliebnehmen und bekommt dann doch schnell einen steifen Hals.
Ein Hauch von Rom in Hamburg – mit kleineren Mängeln
Die Ausstellung ist sehr informativ. Neben jedem Bild stehen ausführliche Informationen zu den einzelnen Motiven. Dazu gibt es eine Audio-App für das eigene Smartphone. Was der Ausstellung fehlt ist das Moderne, das Immersive, das bei heutigen Museumsbesuchen fast schon Standard ist. Bewegbilder findet man in einem Nebenraum, in dem ein (amerikanischer) Moderator etwas zur Entstehungsgeschichte und zu den Maltechniken von Michelangelo erzählt. In der deutschen Übersetzung ist es aber etwas lieblos präsentiert.
Überhaupt fehlt der Ausstellung der Zauber. Es ist eben doch etwas anderes, wenn man die Fresken in Rom in der Sixtinischen Kapelle erlebt – an diesem besonderen spirituellen Ort mit einer ganz besonderen, kraftvollen Atmosphäre. Die Bilder so nah zu erleben ist toll, aber eine Erfürchtigkeit wie in der Sixtinische Kapelle stellt sich nicht ein.
Besucherinformationen: Michelangelos Sixtinische Kapelle ist noch bis Ende September in der Kulturkirche (Johanniskirche) in Hamburg-Altona, Bei der Johanniskirche 22, zu sehen. Geöffnet: Donnerstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 19 Uhr. Eintritt: ab 14,20 Euro. Audio-Guide verfügbar für iOS und Android, ein eigener Kopfhörer wird empfohlen. Mehr Infos hier.